Hallo Ihr Lieben, mich hat ein Artikel vor ein paar Tagen betroffen gemacht. Er wurde zwar schon im Juli veröffentlicht, aber irgendwie bin ich erst neulich darauf gestoßen. Die renommierte Mezzosopranistin Anne Sofie von Otter verliert ihren Mann auf Grund eines #MeToo Skandals in Schweden. Er habe sich nach ungerechtfertigten Vorwürfen, die gegen ihn erhoben wurden, umgebracht – so heißt es in dem Artikel. Ich musste viel darüber nachdenken, über #MeToo, über die Gefahren der Medien, über Schuldige und Unschuldige und was dieses Thema mit mir persönlich so macht. Ich habe auch lange darüber nachgedacht, ob ich hier darüber schreiben soll, da das Thema wirklich sehr brisant ist und ich auf keinen Fall irgendjemanden zu nahe treten oder gar verletzen möchte. Dennoch denke ich, dass man doch über solche Themen sprechen sollte – natürlich nur in aller Vorsicht und Sanftheit. Also wage ich mal einen Versuch.

Wenn ich mich so gezielt frage, was genau mich eigentlich so betroffen macht, dann ist es erstens, dass ich Anne Sofie von Otter als Sängerin sehr schätze, sie auch schon live auf der Opernbühne erlebt habe und mich dieser Abend mit ihr bei den Salzburger Festspielen sehr berührt hat. Ganz klar, ein persönlicher Bezug also. Zweitens die Tatsache, dass man den eigenen Partner ganz unerwartet verlieren kann und das auch noch unter solchen Umständen, wie bei Anne Sofie von Otters Mann. Ich bin da ja so jemand, dessen Phantasie bei Themen, die mich mitnehmen, anfängt zu arbeiten und da viele Bilder und Emotionen in mir hoch schießen… ich stelle mir dann vor, wie es mir damit so gehen würde. Drittens, und das ist der wohl wichtigste Gedanke, dass Machtmissbrauch und Nötigung leider immer noch ein großes Thema ist, dass so viel Unrecht passiert, es so viele Betroffene gibt, dass der Mensch scheinbar so sein muss. Die ganzen medialen Plattformen machen es uns zum einen einfach schnell über vieles informiert zu werden. Natürlich interessiert es mich, wer was wann wem angetan hat. Es ist wichtig, dass betroffene Menschen die Möglichkeit bekommen durch die Veröffentlichung ihrer Erlebnisse Skandale aufzudecken, weiteren Skandalen vorzubeugen, aufzuklären und Tabuthemen anzusprechen. Es ist schlimm genug, wenn einem Menschen schlimme Dinge widerfahren, noch schlimmer ist es aber, wenn es keine Form der Verarbeitung oder Gerechtigkeit gibt. Wenn die Tat im Verborgenen bleibt.
Das #MeToo-Thema, als Beispiel von vielen Themen genannt, betrifft uns alle in allen Berufsbereichen, sobald es um Macht und um Ausnutzung gewisser Positionen geht und nicht der respektvolle und faire Umgang zwischen Menschen an erster Stelle steht.
Doch es gibt auch eine andere Seite, wie im oben beschriebenen Fall – eine Seite, bei der auch unschuldige Menschen plötzlich in die Öffentlichkeit und an den Pranger gestellt werden, eine Hetzjagd beginnt, die dann die betroffene Person seelisch nicht verkraftet. Da frage ich mich, wem oder was kann man vertrauen? Das finde ich tatsächlich sehr schwierig für mich zu beantworten. In dem Interview Von Otter, die Menschen neigen dazu sich schnell großen Gruppenbewegungen oder allgemeinen Behauptungen anzuschließen ohne die Sache zu hinterfragen. Das stimmt, wie ich finde, in sehr vielen Bereichen. Ganz ehrlich, wenn ich mich da gedanklich richtig reinsteigere, wird mit schwindelig. Denn eigentlich hätte ich es am Liebsten, dass ich einfach nur vertrauen kann – allen Menschen, ihren Emotionen und in ein generelles liebevolles Miteinander.

Was mich und #MeToo betrifft, habe ich glücklicherweise noch nie in einer solchen Situation gesteckt. Man ist auf keinen Fall gefeit davor Schlimmes zu erleben, auch mich hätte es treffen können. Ich kann mir nicht erklären woran das liegt, dass es einige am eigenen Leibe erfahren müssen und andere nicht. Ich kann nur vermuten, dass da viele Faktoren eine Rolle spielen: an erster Stelle natürlich die Skrupellosigkeit der Person, in deren Abhängigkeit man steht. An zweiter Stelle das eigene „jung sein” und damit verbunden das fehlende Selbstbewusstsein, denn mit Anfang/ Mitte 20 hatte ich persönlich noch keines. An dritter Stelle eventuell das zu späte Realisieren von gefährlichen Situationen, in die man unmerklich reingerutscht ist. Natürlich habe ich mich in der Vergangenheit mit der Frage auseinander gesetzt, wie ich mich verhalten soll, wenn eine musikalische Zusammenarbeit mit wem auch immer, sich dahin entwickelt, dass sie auf seltsame Weise persönlich wird, auch wenn ich das nicht will. Ich bin beispielsweise schon immer sehr ehrgeizig darin gewesen Vorgesetzte in meinem Beruf, beispielsweise DirigentInnen, RegisseurInnen u.s.w. so von mir zu überzeugen, dass es eine mega berauschende Zusammenarbeit wird, aber stets auf professioneller Ebene. Also mit der Musik, mit dem Schauspiel, mit dem Werk im Zentrum. Aber was wäre gewesen, wenn sich das eben nicht so entwickelt und mein Gegenüber mich stattdessen kontrolliert, belästigt, erniedrigt hätte oder mich gar loswerden wollte?
Ich für mich kann nur sagen, dass es mein Job und meine Liebe dazu niemals rechtfertigen würde solche Situationen stillschweigend hinzunehmen.
Ich möchte euch zum Schluss noch eine Sache erzählen. Die Frage, wie ich entsprechende Situationen vermeiden kann, richtete ich einmal vor einigen Jahren an eine Person, dir mir viel bedeutete. Sie sagte mir: „Nohad, du kannst dich wappnen, in dem du dich immer professionell und gut vorbereitet präsentierst, stets auf einer sachlichen, respektvollen Ebene mit deinem Gegenüber bleibst und im Falle eines männlichen Vorgesetzten oder Kollegen, der schwierig ist, nie ein gewisses Leuchten in deinen Augen aufkommen lässt, was suggeriert, dass du auch zu anderen Dingen bereit wärst.” Ich weiß nicht, ob mich der Weg davor schützen kann jemals in eine derart schlimme Situation zu geraten, aber ich versuche diese Strategie konsequent zu verfolgen. Ich hoffe mir ist es gelungen eine Sanftheit zu dem Thema zu bewahren.

Eure Meinungen, Erlebnisse und Gedanken interessieren mich wie immer brennend.
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Ganz liebe Grüße!

Eure Nohad

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