Hallo Ihr Lieben, worüber ich so nachdenken muss ist das Thema „Üben ist Arbeitszeit oder etwa nicht?”. Zur Zeit ist nahezu bei den meisten SängerInnen von Euch Sommerpause und die Theater sind geschlossen. Wie Ihr in meinem zweiten Beitrag (Vor der Sommerpause…Im Sommerloch) lesen könnt, birgt es doch ein paar Schwierigkeiten in einen alltäglichen, regelmäßigen und selbstkontrollierten Übeflow zu kommen – so ganz auf sich gestellt und ohne Push aus dem Umfeld durch festgelegte Arbeitszeiten im Theater u.s.w. UND DAS 6 WOCHEN LANG. Es gibt Strategien 😉 Denn ganz ehrlich, mir ist das definitiv zu viel Pause. Na klar fährt man auch mal in den Urlaub und gönnt sich was. Aber zu lange darf es für mich auch nicht sein, denn (so ist das bei mir jedenfalls) die Muskulatur verkümmert und wenn ich nach längerer Zeit wieder anfange zu singen, hab ich erstmal das Gefühl: „Boah, da geht gar nichts!”. Ein sehr lustiges Singgefühl, wenn die Stimmbänder wabern. Wenn wir es genau nehmen, können Hochleistungssportler ja auch nicht ohne Weiteres einfach aus ihrem Training aussteigen. Sie trainieren jeden Tag. Was für Außenstehende nicht sichtbar ist, 90 Prozent der Arbeitszeit findet außerhalb der Bühne statt. Üben ist Arbeit – jeden Tag.

Angefangen über so etwas nachzudenken habe ich während des Studiums, wenn man beispielsweise in den Semesterferien zuhause bei seinen Eltern war und ihnen erklären musste (da sie es ja nicht wissen konnten), dass man jetzt nicht so verfügbar ist und dass man eben aus diesen Gründen des Muskelabbaus üben, also auch außerhalb der Hochschule arbeiten muss. Von Zeit zu Zeit nahm das Üben eine immer größere Zeitspanne ein und irgendwie ist es doch noch aktuell, dass man diesen Umstand des Übens hin und wieder erklären muss. Ich verstehe die Problematik dabei. Man geht nicht wie andere an einen festen Arbeitsplatz zu festen Zeiten, wie die meisten Berufstätigen. Und da gibt es auch die Menschen, die sich darunter wirklich überhaupt nichts vorstellen können, was es bedeutet zu üben, Gesang zu studieren oder Singen als Beruf zu praktizieren. Wieviele lustige Fragen habt Ihr dazu schon gestellt bekommen? Die witzigsten Fragen, die ich einmal gestellt bekommen habe, sind: „Wie ist es Gesang zu studieren? Singt man einfach nur den Tag quasi vor sich hin? Hat man Unterricht in einer Gruppe? Was machst du sonst noch so im Studium?” Natürlich ist es auch schön, den für mich schönsten Beruf der Welt den Interessierten nahe zu bringen und alles, was damit zusammenhängt zu erklären.
Was mir dann mit der Zeit klar wurde ist, dass der Gedanke zu allererst in mir entstehen und feststehen muss: „Wenn ich übe, dann arbeite ich. Nämlich an meinem Instrument, weil das ein großer Bestandteil meines Jobs ist.” Auch wenn ich dafür nicht in einem Büro oder sonst wo sitze. Nach dem Studium war ich zunächst eine Zeit lang freischaffend. Und diese Zeit war rückblickend doch fast die Schwerste was die Aspekte betrifft, wie Selbstorganisation, Selbstdisziplin, Konzerte nur am Wochenende, die Ziele setzt man sich während des Übens, also des Arbeitens selbst. Um mal von zuhause loszukommen und um Abwechslung zu schaffen, habe ich mir zeitweise Räume gesucht oder gemietet, um in mir das Gefühl des Arbeitens noch mehr zu festigen und um dem Umfeld nicht zu suggerieren, man sei beliebig verfügbar.
Eine witzige Anekdote so mitten rein. Vor einigen Jahren war ich für 3 Wochen im Urlaub, fest in einem all-inclusive-Hotel „gefangen”. Ich gebe zu, dass das nicht ganz mein Fall war- ich brauche doch mehr Freiheiten und Action und vor allem die Möglichkeit umtriebig zu sein. Jedenfalls kam man dort nicht einfach so weg aus dem Hotel und schon spätestens nach einer Woche musste ich dringend einen Raum finden, um zu singen. Ihr dürft mich gerne für crazy halten, aber wie schon gesagt – ich kann nicht anders. Ich fragte nach und bekam einen riesigen, also wirklich immens großen Konferenzraum zur Verfügung gestellt, ohne Aussicht darauf nicht gehört zu werden. Trotzdem. Jeden Tag hab ich mich da rein gestellt und habe geübt. Keine Angst, ich werde auf keinen Fall in einem Eurer Urlaubshotels aufkreuzen, um von mir hören zu lassen 😉 .
Omann, gar nicht so einfach der Beruf und alles, was damit zusammenhängt… Das alles zeigt letztendlich, dass wenn man diesen Beruf ausübt ein richtiges Aussteigen meiner Meinung gar nicht so möglich ist.
Selbst wenn ich wollte, es gibt auf Grund der kommenden Jobs und Produktionen permanentes Arbeitsmaterial. Je nach Größe der bevorstehenden Aufgabe oder Partie, nimmt es auch den Geist mehr oder weniger für sich ein, der Kopf arbeitet stetig. Bei mir ist das so, wenn ich intensiv an Rollen oder Stücken arbeite, dann ploppen Phrasen immer wieder auf und beschäftigen mich im Loop. Beim Wandern neulich kam mir eine Arie in den Sinn. Ich sang sie vor mich hin, bis ich an eine Stelle kam, an der mir das Wort nicht einfiel. Das Grübeln darüber hielt eine ganze Zeit lang an, heieiei.

Ich genieße es sehr in Produktionen zu stecken. Auf einmal hat man das Gefühl, im Bezug auf Arbeitszeiten „normaler” zu sein. Morgens wird das Haus verlassen, mit dem Rad wird ins Theater gefahren und gearbeitet. Abends darf man müde und geschafft ins Bett fallen. Doch diese Zeit ist begrenzt, sollte man nicht direkt im Anschluss in der nächsten Produktion stecken. Denn dann beschränkt sich das Arbeiten nach der Inszenierung erstmal nur auf die Vorstellung abends bis meistens ganz spät. Auch das ist nicht immer in den Köpfen des engen Umfelds, die sich nicht einfühlen können, verankert, vor allem wenn man am nächsten Morgen um halb 8 oder früher angerufen wird, des Plaudern willens.
Wie immer steht hinter all den Anekdoten ein breites Grinsen.
Mein Fazit allerdings fällt extrem positiv aus: Singen ist und bleibt für mich der allerschönste, spannendste und abwechslungsreichste Beruf ever!!

Über Eure Gedanken und Kommentare freue ich mich wie immer jederzeit!
Ganz liebe Grüße!

Eure Nohad

 

 

 

 

2 Gedanken zu “Üben ist Arbeitszeit oder etwa nicht?

  1. Liebe Nohad,
    sicher von Sänger*in zu Sänger*in sehr unterschiedlich ist die Quantität des täglich möglichen Übens. Manche sind erst nach eineinhalb Stunden richtig gut eingesungen und stehen dann „voll im Saft“, andere müssen aufpassen, dass sie sich durch Übertreibung nicht einfach absingen anstatt weiterzukommen. Wie ist das bei Dir? Immer in etwa die gleiche Stundenzahl oder abhängig von Tagesform oder vielleicht auch von der Art des gerade zu Übenden?
    Übst Du abstrakt (z.B. bestimmte technische Dinge) oder sehr konkret am Aufführungsmaterial?
    Bin sehr gespannt von Dir zu hören.
    LIebe Grüße
    Esther

    1. Liebe Esther,
      da hast Du absolut Recht. Jeder funktioniert anders und jeder Tag ist auch so unterschiedlich. Das ist die große Herausforderung, die jeder Einzelne hat: Sich so weit kennenzulernen und zu verstehen, dass man täglich erkennt, was man selbst, also die Seele und der Körper so brauchen. Mit diesem Blog verfolge ich unter anderem auch das Ziel mehr von Kollegen und Menschen zu erfahren, die das nachvollziehen können oder ähnlich empfinden, da so ein Austausch wichtig ist, wie ich finde.
      Wenn ich Zeit habe, so wie jetzt beispielsweise, dann nehme ich mir beim Üben viel Zeit für kleinere Abschnitte, um genauer und präziser zu sein. Aber das hängt, wie Du sagst, von der Tagesform ab. Schön wäre es natürlich, wenn man sich jeden Tag extrem im Saft fühlen würde- das ist klar. Umso wichtiger ist es auch einen Plan für die Tage zu entwickeln, in denen man sich müde oder down fühlt. Auch mentale Arbeit ist Arbeit. Abstraktes Üben gibt es in dem Sinne für mich nicht, da die ganzheitliche Verbindung von Musik, Technik, Körper und Seele wichtig ist.
      Das ist ein super Thema für den nächsten Beitrag, so ganz ausführlich und detailliert.
      Liebe Grüße
      Nohad

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