Hallo Ihr Lieben, „DAS” Thema, was mich seit längerer Zeit beschäftigt, aktuell sehr begleitet und noch eine Weile beruflich mein Hauptthema sein wird, ist Dead Man Walking. Ich habe das große Glück in der kommenden Spielzeit in der Rolle der Sister Helen in Dead Man Walking, eine Oper von Jake Heggie, besetzt zu sein. Es wird nicht nur eine große gesangliche, sondern vielmehr noch eine emotionale Herausforderung sein. Der Stoff ist keine leichte Kost und wenn man sich sehr hineinbegibt auch nicht so leicht zu verarbeiten. Der Bericht heute wird der erste Teil sein, in dem ich Euch von meinen Anfängen, Gedanken und meinem Kennenlernen mit dem Werk, der Story und der Person Sister Helen Prejean erzählen möchte. In den kommenden Monaten, bis zur Premiere im Januar, werde ich weitere Beiträge zu dem Thema veröffentlichen, um Euch von der intensiveren Arbeit mit dem Regisseur, dem Dirigenten und den Kollegen zu berichten. Also bleibt dran.

Als mir gesagt wurde, dass die Partie der Sister Helen auf mich zukommen wird, hatte ich erstmal weder Noten noch weiteres Material, um mir davon ein erstes Bild zu machen und an die Noten ist es schwer ranzukommen. Bei mir ist es jedoch so, dass ich es dann meistens kaum erwarten kann reinzuschauen, auszuprobieren und anzufangen. Da viel mir ein, dass es einen Film aus dem Jahre 1995 dazu gibt, mit Susan Sarandon als Sister Helen und Sean Penn als den Häftling Matthew Poncelet. Ein wirklich hervorragender Film, beruhend auf einer wahren Begebenheit von der noch lebenden, realen Sister Helen, um einmal prinzipiell in die Thematik einzusteigen. Ganz ohne Special Effects, pur und emotional. Durch die Erzählweise wird beabsichtigt sich am Ende auf jeden Fall die wichtigste Frage hierbei zu stellen: „Todesstrafe- ja oder nein?” Nein. Vielmehr noch. Durch die detaillierte Darstellung der Hinrichtung, durch die Unerbittlichkeit, durch den Fokus auf den Verurteilten und seine seelische Verfassung und durch den tiefen Glauben der Sister Helen an den Weg, den Jesus vorgelebt hat: Schlimme Taten nicht durch Rache oder mit Gleichem zu vergelten, kommt man nicht umhin sich definitiv gegen die Todesstrafe zu positionieren.
Ich persönlich bin ganz klar gegen die Todesstrafe!
Der Film kombiniert zwei wirkliche Straffälle, um einen tiefergreifenden Handlungsablauf zu erreichen. Der Ausdruck oder Ausruf „Dead man walking” wird verwendet und durch den Todestrakt gerufen, wenn der Häftling zur Hinrichtung geführt wird. Grausam.
Susan Sarandon mag ich als Schauspielerin sehr gerne und was beeindruckend ist: Sean Penn gleicht rein äußerlich dem echten Häftling, als wäre er es selbst.
Worum geht es? An dieser Stelle stütze ich mich mit der Erzählung auf den Inhalt des Buches von Sister Helen Prejean, die sich in einer sozialen Einrichtung in St. Thomas in New Orleans um verarmte, schwarze Mitmenschen kümmerte. Sie gerät auf Anfrage hin in eine Brieffreundschaft mit dem Häftling Patrick Sonnier, der sie nach einer Weile des Schreibkontaktes fragt, ob sie ihn spirituell bis zur Hinrichtung begleiten möchte.
Ich muss an dieser Stelle kurz erwähnen, dass dieser Häftling im Film Matthew Poncelet, in der Oper Joseph de Rocher und im Buch aber Patrick Sonnier heißt. Auch die Hinrichtung wird unterschiedlich dargestellt. Original handelt es ich um den elektrischen Stuhl, im Film und in der Oper jedoch kommt der Verurteilte durch die Spritze zum Tode.
Er soll auf grausamste Weise, gemeinsam mit seinem kleineren Bruder, ein junges Liebespaar aus ihrem Auto verschleppt, das Mädchen missbraucht und beide dann in den Hinterkopf geschossen haben. Ganz ehrlich, sowas kann ich mir in Filmen überhaupt nicht ansehen. Das Verbrechen wird gezeigt/thematisiert, ob im Buch, im Film oder in der Oper. Es ist von Beginn an klar, dass Joseph die Tat begangen hat, er kein freundlicher Mann ist und er die Tat zudem noch vehement bestreitet. Sister Helen steht vor der großen Mission, sich auf ihrem Glauben stützend, Joseph dazu zu bewegen, die Tat zu gestehen und sie zu bereuen, damit seine Seele „gerettet” werden kann. Doch dann geht es noch um viel mehr. Um moralische Bedenken, um die Opfereltern, um Albträume, um die Größe der Schuld, um Annäherung und Liebe, um Vergebung und um die Qual der Hinrichtung. Ein komplexes Thema. Der Film an sich hat mich mitgenommen und sehr berührt.

Nach einer Zeit kamen die Noten – aufregend! Ein dicker Notenwälzer. Ein erster Blick und mir war direkt klar, dass ich nahezu das ganze Stück über auf der Bühne sein werde, viel zu singen habe und viel Kraft von Nöten sein wird. Was mir beim näheren Hinsehen auffiel ist, dass die Partie der Sister Helen a-cappella (ganz ohne Begleitung des Orchesters) mit einem Gospel die Handlung der Oper beginnt und diese auch, nach der in der Musik festgelegten Hinrichtung, mit eben diesem Gospel die Oper a-cappella beschließt. Wow!!! Wie soll man das mental hinbekommen?
An alle Sänger: Wie schwer oder leicht würde Euch das fallen? Habt Ihr Strategien? Ich meine, der Beginn wird nicht das Schwerste sein, jedoch das Ende, wenn man schon alle Emotionen der ganzen Strecke auf sich geladen und die Hinrichtung durchlebt hat. Da wird sehr viel inneres Kalkül abverlangt. Ich werde Euch auf dem Laufenden halten und von meinen Tipps und Tricks berichten 😉 .
Die kommenden Tage und Wochen, nach Erhalt der Noten, saß ich etliche Stunden am Klavier um zu begreifen, was da musikalisch alles passiert. Rein stilistisch gesehen, ist mir die musikalische Form bisher so noch nicht begegnet. Da ich jemand bin, der super schnell lernt, war ich umso überraschter festzustellen, dass es bei der Musik doch länger dauerte, bis sich die Strukturen in meinem Kopf festsetzten und bis ich verstand was der Komponist wollte. Wie soll ich das grob am besten beschreiben? Es handelt sich hierbei nicht um die Form der neuen Musik, die man bei neuzeitlichen Werken auf Anhieb erwarten würde.
Jake Heggie stützt sich direkt und ohne Umwege auf den Plot. Er greift die Emotionen und Begebenheiten komplett auf und packt sie geballt auf die Musik. Meiner Meinung nach hat das Werk einen amerikanischen, filmmusischen Stil, in der man Formen wie Gospel, Blues,(Jailhouse-) Rock und vieles mehr findet. Tief gehende, warme Gefühle werden in große, legatohafte und smoothige Phrasen gepackt, bei denen mir das Herz aufgeht. Man kann sich dem stringenten Voranschreiten der Handlung nicht entziehen, vor allem nicht auf emotionaler Ebene. Ganz ehrlich, bis jetzt reißt es mich an einigen Stellen immer noch so mit, dass die Augen nicht trocken bleiben. Meine Zuversicht: Das lange Arbeiten und Proben  daran wird einem bestimmt die nötige innere Distanz schenken, die die Rolle braucht.

Um mein weiteres Vorbereiten noch besser zu stützen, habe ich mir das Buch von Sister Helen Prejean (auf Englisch verfügbar) besorgt, was ich jedem, den dieses Thema interessiert, nur empfehlen kann. Auch wenn ich es noch nicht fertig gelesen habe, kann ich mit Sicherheit jetzt schon sagen, dass diese Frau erstaunlich ist. Mit was für einer bodenständigen, selbstreflektierten und geerdeten Art sie von ihrem Glauben und ihrer Überzeugung, den Begegnungen mit den Menschen, aber vor allem mit Patrick Sonnier, den Ungerechtigkeiten im Bezug auf die Todesstrafe und im Allgemeinen in zahlreichen juristischen Fällen erzählt, ist sehr bewegend. Sie nimmt mich absolut mit.
Bis hierher möchte ich Euch im ersten Teil meines Dead Man Walking – Beitrags von dem Thema berichten. Es wird mit Sicherheit noch ein spannender Weg werden, auf den ich mich sehr freue und über den ich sehr dankbar bin ihn gehen zu dürfen.

Über Eure Gedanken und Kommentare freue ich mich jederzeit. Schreibt mir!

Seid lieb gegrüßt von Eurer Nohad

Ein Gedanke zu „Dead Man Walking – Teil 1

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