Hallo Ihr Lieben, mein nächster Beitrag umfasst das Thema

„Meine vier Bühnen: Oper, Konzert, Lied und Familie„. Vor etwa einer Woche wurde ich Patentante und da kam selbstverständlich die Frage auf, ob ich bei der Taufe des kleinen Zöglings singen würde. Ein Teil in mir zögerte, aber selbstverständlich war das keine Frage. Warum das Zögern? Ihr müsst wissen, dass ich ein emotionaler Mensch bin, vor allem bei solchen Festen, wie Taufe oder Hochzeiten im Beisein der Familie (!!!). Ich bin so unglaublich aufgeregt vor der Familie zu singen, es nimmt mich mit, ich habe Lampenfieber und ich bin gerührt. Kennt Ihr das auch?
Dann wurde ich gefragt, warum ich so aufgeregt sei, ich sei doch ein Profi. Da hörte ich mich sagen, dass es für mich beispielsweise viel leichter sei, auf einer Opernbühne zu singen, als in solch intimen Rahmen. (Während ich das schreibe, muss ich lachen, weil das so absurd scheint.) Dann habe ich weiter darüber nachgedacht, vor allem über die Unterschiede, die speziell meine Bühnen so ausmachen.

Beginnen wir mit der Bühne, die ich zuerst betrat. Die Konzertbühne.
Wie in meinem kleinen Vitatext beschrieben, habe ich meine musikalische Laufbahn in Chören begonnen. Ich durfte so viele wunderbare geistliche Werke mit tollen Dirigenten kennenlernen. Gemeinsam mit meinem Wunsch Sängerin zu werden, gab es auch den, diese Vielfalt der Werke und Musik als Solistin zu praktizieren.

Über die Jahre habe ich viel gelernt und erfahren zum Thema Aufführungspraxis, detailreiches Musizieren, Gestaltung und Stimmführung. Ich sage Euch, je mehr man über die Möglichkeiten des Gestaltens eines Werkes herausfindet, gemeinsam mit Menschen, die Dir sagen, wie genau das funktioniert und es mit Dir erleben wollen, desto mehr befreist Du Deine Stimme und Deinen Ausdruck. Das macht so unfassbar viel Spaß! Allerdings bedeutet das auch, dass ich mich selbst hineinbegebe: meine eigene Persönlichkeit und mein eigenes Empfinden. Auch auf der Konzertbühne bin ich aufgeregt, allerdings anders als vor der Familie. Der Unterschied liegt darin, dass der Abstand zum Publikum größer ist, ich ein Orchester hinter mir habe, was mich trägt und einen Dirigenten, der im idealsten Falle mit mir atmet, mich führt und mit mir musiziert.

Die nächste Bühne, die wir betreten ist Lied.
Die Bühne Lied bedeutet ein Liederabend als Sängerin, gemeinsam mit einem Pianisten vor einem kleinen Publikum in einem sehr intimen Rahmen. Ein Abend mit etwa 19 bis 20 Liedern von unterschiedlichen Komponisten, meistens aus der romantischen Ecke (jedenfalls wenn ich einen gestalte 🙂 ) mit wunderschönen, vertonten Gedichten. Das Publikum kommt um den Sänger oder die Sängerin einen ganzen Abend lang zu hören, ganz pur, sozusagen nackt. Der reine persönliche Ausdruck, das Erzählen der Geschichten, die Interpretation und Gestaltung der Lieder auf symbiotische Weise zwischen dem Pianisten und mir sind gefragt. Bin ich hierbei aufgeregt? Und wie!!! Zum Glück konnte ich im Laufe der Jahre und Liederabende für mich persönlich ein paar Strategien entwickeln:
Rechtzeitig anfangen zu üben (das gilt definitiv in meinem Falle), genau überlegen, was der Text und die Musik sagen möchte, Vertrauen und Spaß haben. Dadurch habe ich die Chance mir ein Vakuum zu schaffen, in dem ich mich der Musik und der Gestaltung ganz hingebe. Und überkommt es mich doch gerührt zu sein, was durchaus passieren kann, dann zeigten die bisherigen Erfahrungen nur, dass das von den meisten Zuhörern mitempfunden wird.

Das Wort Vakuum bringt mich zur Opernbühne.
Die Opernbühne bringt Faktoren mit sich, die etwas völlig Neues schaffen:
„Szene (Schauspiel), Rollen, Maske und Kostüm“.
Verwandlungen finden statt, die Grenzen ausweiten und einen selbst verändern können. Ich muss immer wieder an einen Satz denken, den einst eine große Sängerin sagte:
„Singen lernt man erst auf der Opernbühne.“ Selbstverständlich verlangt jede Bühne technisches Wissen, große Vorbereitung und stimmliches Können. Doch, was ich so bisher feststellen durfte, verlangt die Opernbühne über das genaue, stilbewusste Musizieren hinaus, Verwandlung ohne sich selbst zu verlieren, Loslassen und Freilassen der eigenen, manchmal auch einschränkenden Kultiviertheit. Alles wird vergrößert: Das Atmen, die Rollen, das körperliche Empfinden, die Gesten, Interaktionen, Emotionen und Hingabe.
Sobald ich auf der Bühne stehe, in meiner Rolle, dem Bühnenlicht und inmitten meiner Kollegen, mit dem Orchester im Graben und dem Dirigenten, der alles trägt, dann begebe ich mich automatisch in ein Vakuum. Das ist ein Raum für mich, in dem mich entfalten kann. Das funktioniert nicht immer, beziehungsweise muss ich jedes Mal daran arbeiten dahin zu kommen. Aber wenn es gelingt, ist das ein unbeschreibliches Gefühl der Hingabe.

Kommen wir zum Schluss zum Singen vor der Familie. Was genau macht mich hier also so aufgeregt? Sie lieben mich doch, egal wie ich singe. Genau das ist es:
Alle kennen und durchleuchten mich und ich kenne sie alle.. Ein Rückzug in einen Raum für mich beim Singen ist nicht möglich. Denn man ist Tochter, Enkel, Schwester, Cousine und Freundin aber niemals die Sängerin Nohad Becker. Nehmt mich an der Stelle nicht zu ernst. Während ich über alles nachdenke und Euch davon erzähle, habe ich immer ein breites Grinsen im Gesicht.

Erzählt mir von Euren Bühnen, Aufregungen und Erfahrungen. Ich freue mich auf Euch!

Eure Nohad

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